BVerwG zu Krematorium
Kein Totengedenken im Gewerbegebiet
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03.02.2012
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Ein Krematorium mit Abschiedsraum passt nicht in ein Gewerbegebiet, entschied das BVerwG am Donnerstag. Das OVG Münster hatte das in der Vorinstanz noch anders gesehen und wurde nun aus Leipzig eines besseren belehrt. Aus gutem Grund, meint Alfred Scheidler.
"Anlagen zur Feuerbestattung" heißen Krematorien im Beamtendeutsch. Sie müssen vor allem die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen, die sich aus der 27. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (27. BImSchV) ergeben. In erster Linie müssen sie also bestimmte Emissionsgrenzwerte einhalten.
Das war allerdings bei dem im nordrhein-westfälischen Dülmen in einem Gewerbegebiet genehmigte Krematorium nicht das Problem. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hob mit Urteil vom 2. Februar (Az.: 4 C 14.10) die Baugenehmigung für die Bestattungsanlage vielmehr auf, weil die Richter des 4. Senats sie für bauplanungsrechtlich nicht zulässig hielten.
Das Bauplanungsrecht beurteilt die Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach dem Typus des Gebiets, in dem dieses Bauwerk verwirklicht werden soll. Was in einem Gewerbegebiet zulässig ist, ergibt sich aus § 8 der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Die Vorschrift differenziert wie auch die Regelungen zu anderen Gebietstypen danach, was in dem Gebiet allgemein zulässig ist und was nur ausnahmsweise.
Allgemein zulässig in einem Gewerbegebiet sind "Gewerbebetriebe aller Art" (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). An sich ist ein solcher Gewerbebetrieb auch ein Krematorium, das ein Privater mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt. Trotzdem geht die Rechtsprechung einheitlich davon aus, dass eine solche Bestattungsanlage in einem Gewerbegebiet ein Fremdkörper ist, wenn sie auch mit Räumlichkeiten ausgestattet ist, in denen die Hinterbliebenen von den Verstorbenen Abschied nehmen können. Ein Gewerbegebiet ist nicht durch Stille und Beschaulichkeit, sondern durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt.
Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster dagegen hatte das Krematorium mit Abschiedsraum als "Anlage für kulturelle Zwecke" im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und damit als in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig bewertet (Urt. vom 25.10.2010, Az. 7 A 1298/09). Die Münsteraner bewegten sich damit auf einer Linie mit anderen Oberverwaltungsgerichten wie dem in Koblenz (Beschl. v. 28.10.2005, Az. 8 B 11345/05) oder dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 30.06.2005, Az. 15 BV 04.576).
Das BVerwG war bereits im Jahr 2005 mit einem ähnlichen Fall wie dem jetzt entschiedenen befasst und hatte damals geurteilt, dass ein Krematorium für menschliche Leichen jedenfalls dann in einem Gewerbegebiet nicht allgemein zulässig ist, wenn es über einen Raum für eine Einäscherungszeremonie verfügt. Ob es als Anlage für kulturelle Zwecke ausnahmsweise zulässig ist, hatten die Leipziger Richter damals noch offen gelassen.
Nun aber haben sie klar Position bezogen: Zwar betrachtet auch der 4. Senat ein Krematorium mit Abschiedsraum als "Anlage für kulturelle Zwecke". Da es aber ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen darstelle, sei es auch nicht ausnahmsweise in einem Gewerbegebiet zulässig.
In der Tat ist es schwer vorstellbar, in einem Umfeld mit Lärm und hektischer Betriebsamkeit, wie sie für ein Gewerbegebiet charakteristisch sind, von einem Verstorbenen angemessen und würdevoll Abschied zu nehmen. Die Entscheidung aus Leipzig, mit der eine klare Linie für die nachgeordneten Gerichte vorgegeben wird, hat daher gute Gründe auf ihrer Seite.
Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.